Ich durfte kürzlich mit der Windelfrei-Expertin Anne-Marja Lützkendorf über das Thema Windelfrei & Baby abhalten sprechen und erhielt dabei von ihr einige tolle Tipps, die diese Methode für den Alltag einfacher machen. Ich habe Anne-Marja ursprünglich kennengelernt, als ich bei ihr mit Alma, als sie gerade erst elf Monate alt war, eine Trageberatung gemacht habe. Nachdem wir so in Kontakt gekommen waren, habe ich erfahren, dass Anne-Marja ihre Tochter nach der Windelfrei-Methode erzogen hat und dass sie selbst Coach für dieses Thema ist. Ich war davon so fasziniert, dass ich mein Kind ebenfalls gerne windelfrei erziehen wollte.
Baby abhalten lernen – 1. Was ist windelfrei, was ist es nicht?
Zu Beginn war für mich natürlich die größte Frage, was “windelfrei” überhaupt genau bedeutet – und was nicht. Das Wort selbst ist oft ein bisschen irreführend, da die Babys auch bei dieser Methode Windeln tragen. Windelfrei bedeutet im Prinzip vor allem die Freiheit von der Abhängigkeit von Windeln. Ihr könnt euch überlegen, ob ihr mal eine Windel nehmt oder eben auch nicht. Das nennt sich auch Teilzeit-Windelfrei. Ich finde, Windelfrei hängt auch sehr damit zusammen, ob man das richtige Backup hat. Für uns ist die Windel nicht pauschal die Toilette für das Baby, sondern eher ein Backup-Plan für den Fall, dass ein Unfall passiert. Tatsächlich können Babys von Anfang an signalisieren, dass sie mal müssen. Wenn man es also schafft, die Zeichen richtig zu lesen und sie auch nur einmal am Tag abzuhalten, entweder über das Waschbecken oder über die Toilette, dann darf man sich schon Windelfrei oder Teilzeit-Windelfrei nennen.
Es gibt nicht das perfekte Windelfrei, jede Familie findet ihren eigenen Weg, der für sie richtig und am besten geeignet ist. Es geht bei diesem Thema auch nicht um einen Supermama-Wettbewerb! Windelfrei soll Arbeit abnehmen und für alle Beteiligten eine Unterstützung sein. Das Verrückte ist, dass viele Menschen das Gefühl haben, dass sie bei Windelfrei ständig ihr Baby anschauen müssen, damit es nicht irgendwo hin macht. Tatsächlich ist diese Angst am Anfang nicht verwunderlich, verschwindet aber mit der Zeit.
Baby abhalten lernen – 2. Wie funktioniert das Abhalten?
Nachdem wir uns entschieden hatten, es mit der Windelfrei-Methode zu versuchen, war die nächste Frage, wie genau das Abhalten funktioniert. Sobald die Kinder alleine sitzen können, könnt ihr sie natürlich auf ein Töpfchen setzen. Bis das allerdings funktioniert, haltet ihr sie ab und helft ihnen so dabei, ihr Geschäft zu verrichten. Dafür gibt es mittlerweile verschiedenste Ausstattungen, die beim Abhalten helfen.
Wenn das Baby noch sehr klein ist, haltet ihr es am besten im Arm und macht sein Backup. Dafür hatte ich eine richtige Abhaltewindel mit einem Saugkern aus einem Stück Frottee. Ich habe das Backup nach hinten geklappt und mein Kind über das Waschbecken, Töpfchen oder zum Beispiel auch über eine Rührschüssel gehalten. Um das Baby zu unterstützen, solltet ihr anregende Geräusche, wie zum Beispiel fließendes Wasser, erzeugen. Es ist sehr wichtig, dass ihr selbst während des Abhaltens total entspannt seid. Das überträgt sich auf das Kind und sehr wahrscheinlich wird es sich so erleichtern können.
Baby abhalten lernen – 3. Wie fange ich mit windelfrei an?
Für den Start mit der Windelfrei-Methode gibt es keinen perfekten Zeitpunkt. Grundsätzlich bieten sich natürlich Standardsituationen sehr dafür an. Beispielsweise morgens nach dem Schlafen, nach dem Stillen, beim Spielen oder nachdem ihr euer Kind aus dem Tragetuch oder der Trage genommen habt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass euer Kind sich erleichtern würde. Das Tolle ist, dass wenn ihr erstmal angefangen habt und ihr ein Erfolgserlebnis hattet, ihr nur schlecht wieder aufhören könnt oder wollt.
Ich selbst war ebenso hochmotiviert und habe es zum Beispiel immer nach der Trageberatung, nach dem Schlafen und nach dem Stillen ausprobiert. Ich war immer unglaublich stolz, wenn es geklappt hat und wollte das nicht mehr missen – es war fast schon süchtig machend. Auch das Baby hat dieses Gefühl, was sein Selbstbewusstsein enorm stärkt. Trotzdem solltet ihr das Ganze locker sehen und euch sowie euren Kindern keinen Druck machen. Sollte es mal nicht klappen, dann ist es auch in Ordnung und es gibt keinen Grund, böse auf das Baby oder euch selbst zu sein.
Mit der Zeit werdet ihr immer besser darin, zu erkennen, wann euer Kind auf die Toilette müsste. Bei den meisten Kindern ist ein plötzlicher Stimmungswechsel ein Anzeichen. Wenn das Kind zum Beispiel gerade spielt oder beschäftigt ist und dann auf einmal ruhig wird und irgendwo hinstarrt, ist das in der Regel ein klares Zeichen. Viele denken bei “Zeichen” immer, das Baby würde die Hand heben, winken oder einen Laut von sich geben – aber so einfach ist das leider doch nicht. Ein Zeichen kann auch sein, dass euer Kind, sobald es etwas größer ist, zum Topf krabbelt. Die kleineren Kinder können tatsächlich auch Zeichen geben, indem sie sich beispielsweise in den Schritt fassen oder zur Ruhe kommen. Aber auch das Gegenteil, wenn sie zum Beispiel im Tragetuch ganz ruhig sind, dann aber plötzlich sehr unruhig werden und strampeln oder quengeln, kann das ein Anzeichen sein, dass sie ihr “Nest” nicht beschmutzen möchten und eure Hilfe brauchen. Deshalb passt es gut, wenn ihr euer Kind viel tragt und sehr nahe bei ihm seid. Somit könnt ihr die Zeichen besser lesen und schneller erkennen.
Bei kleineren Babys merkt ihr den Drang vielleicht auch daran, dass sie beim Stillen oder Fläschchen geben öfter unterbrechen, obwohl sie eigentlich Hunger haben. Wenn ihr denkt, dass Baby müsste noch Hunger haben, es trinkt aber nicht, dann macht mal die Windel ab und haltet es ab. Natürlich gibt es auch noch die Babyzeichensprache, wobei auch ein Zeichen für die Toilette enthalten ist. Das kann etwas sein, das ihr euch selber ausgedacht habt, wie zum Beispiel ein Strudel per Fingerzeichen. Bevor ihr auf die Toilette geht, könnt ihr das Zeichen bereits einsetzen oder ihr fragt euer Kind damit, ob es denn mal muss. So verbindet euer Kind das Zeichen mit der Toilette und kann es künftig selbst einsetzen. Ein ganz eindeutiges Zeichen ist übrigens auch noch der “Ankündigungspups”. Achtet auf den, dann habt ihr ein bisschen Zeit, bevor es richtig los geht.
Baby abhalten lernen – 4. Wieso sollte ich mein Baby windelfrei aufwachsen lassen?
Vielleicht denkt ihr euch jetzt “Ich kann mir nicht vorstellen, dass das bei meinem Kind funktionieren würde”. Im Grunde klappt Windelfrei tatsächlich aber bei jedem Baby. Es gibt eine Studie aus dem Jahr 2008 von Rugolotto, worin herausgefunden wurde, dass 90% der Babys ihr Bedürfnis klar signalisieren. Eine interessante Information ist auch, dass nur ca. 20% oder sogar nur ca. 10% der Babys auf der Welt Windeln tragen. Die übrigen 80-90% der Babys haben also gar keine Windeln und bekommen das trotzdem hin. Da stellt sich natürlich die Frage, wie sie das schaffen!
Für das richtige Abhalten empfehle ich euch auf jeden Fall passendes Equipment. Die einfachste Abhalte-Kleidung, die ihr haben könnt, sind Stulpen. So könnt ihr die Hose einfach weglassen und euer Kind hat trotzdem warme Beine. Alternativ gibt es auch sogenannte Cowboy-Hosen, die unten in der Mitte ein Loch haben und hier auf gemacht werden könne. Auch ein etwas längeres Shirt ist eine tolle Möglichkeit, bei der ihr eine Hose komplett weglassen könnt. Tolle Kleidung findet ihr beispielsweise bei pipifax.
Windelfrei mit Stoffwindeln ist leider etwas umständlich und dauert länger. Sogenannte Abhaltewindeln wurden vor nicht allzu langer Zeit speziell dafür entwickelt und sind so viel besser dafür geeignet. Es gibt ein paar Marken, die wirklich tolle Abhaltewindeln entwickelt haben, zum Beispiel emilino. Die Höschen sehen sehr süß aus und wirken nicht direkt wie eine Windel. Wenn es ans Abhalten geht, könnt ihr die Windel mit zwei Handgriffen super schnell und unkompliziert abmachen und danach auch ebenso wieder verschließen. Sollte das Backup noch trocken sein, bleibt es einfach drin.
In anderen Kulturen sind die Babys oft schon ab dem achten Monat komplett trocken. Anna-Marja vermutet, dass unsere Kinder ungefähr ab diesem Zeitpunkt auch gar keine Windeln mehr möchten, weswegen sie sich ab diesem Zeitpunkt häufig auch gegen das Wickeln und das Liegen auf dem Rücken wehren. Wenn wir der Natur also ihren freien Lauf lassen und unsere Kinder darin unterstützen würden, könnten wir sowohl ihnen, als auch unserer Umwelt etwas Gutes tun.
Baby abhalten lernen – 5. Welche Kleidung soll mein windelfreies Kind tragen?
Wenn ihr also ebenfalls das Projekt Windelfrei starten möchtet, empfehlen wir euch folgende Grundausstattung. Am wichtigsten sind selbstverständlich ein Baby und ganz viel Humor! Es hilft natürlich auch, wenn ihr ein Töpfchen habt, ein Waschbecken oder auch nur eine Rührschüssel, worüber ihr euer Kind problemlos abhalten könnt. Holt euch zudem am besten ein paar wasserdichte Unterlagen oder legt drei aufeinanderliegende Handtücher unter euer Baby. Super für unterwegs ist auch eine Wetbag, in die ihr eine Sicherheitseinlage packen könnt. Sollte ein Unfall passieren, packt ihr die nasse Einlage einfach in die Bag und gebt eurem Kind eine frische. All das ist natürlich kein Muss, aber eine große Empfehlung!
Ich persönlich bin mit dem Prinzip Windelfrei super zufrieden und finde es toll, dass ich sowohl Alma ihren natürlichen Weg gehen lassen konnte, als auch dass wir auf diesem Weg unfassbar viel Windel-Müll vermeiden konnten. Auch wenn es manchmal anstrengend und frustrierend sein kann, empfehle ich euch, euch auch einfach mal am windelfreien Aufwachsen zu versuchen.
Falls ihr Unterstützung braucht, könnt ihr euch immer gern an Anna-Marja wenden und bei ihr einen Workshop buchen. Anne-Marja ist Trageberaterin “Frau Beuteltier” und zudem Windelfrei-Coach nach “artgerecht” und nach “Hello Nappy” von Rita Messmer. Da sie selbst zwei windelfreie Babys hat, wollte sie ihr Wissen gerne weitergeben und hat auf dieser Basis ihr Business gegründet.
Habt ihr bisher Erfahrungen mit Windelfrei gemacht? Wie seid ihr damit klar gekommen? Schreibt es gerne in die Kommentare!
2 Kommentare
Liebe Christine,
unsere drei Kids sind schon erwachsen. Als unsere im Windealter waren, kamen endlich ein paar Bücher zum Thema Windelfrei und ich probierte es bei unserem dritten Kind aus. Es fühlte sich, wie du auch beschreibst, wunderbar an. Vor allem für das Baby. Seither habe ich jeder schwangeren Freundin direkt von Windelfrei erzählt. Eine Freundin war so erfolgreich, dass sie für ihre beiden Töchter so gut wie keine Windeln brauchte. Wahnsinn! Was das für die Umwelt bedeuten würde, wenn das mehr Menschen wissen! Danke für diesen tollen Blogbeitrag.
liebe Grüße
Gabi
Hallo Gabi,
danke, dass du deine Erfahrung mit uns teilst.
Wenn sich jemand näher interessiert darfst du gern immer diesen Artikel weiterleiten.
Auf dem Lilies Diary YouTube-Kanal gibt es auch zwei interessante Videos dazu!
Lieben Gruß