Den Weg, den ich schon 1000 Mal mit dem Bobbycar abgefahren bin, die Tür, die mir einst bis zur Stirn ging, der Geruch, den es nur hier gibt. Alles ist wie immer und doch jedes Mal anders. Man merkt, dass man älter wird, man merkt, dass alles kleiner wird, doch genau das braucht man ab und zu.
Auf jeder Reiseliste sollte auch immer wieder der Heimaturlaub stehen, der Urlaub zu Hause bei Mutti. Der Ort, an dem man aufgewachsen ist. Der Ort, der einen zu dem gemacht hat, was man ist. Ich habe das Glück, dass es den einen gibt. Nie musste ich umziehen oder die Stadt verlassen. Ich besitze es, das Elternhaus, die Heimatstadt, in der ich die ersten 19 Jahre meines Lebens verbracht habe. Jetzt stöckle ich mit meinen hohen Schuhen den Weg zur Haustür, deren Griff mir mittlerweile bis zum Bauchnabel geht, doch der Geruch, der ist noch der gleiche. Ein bisschen Zitrone vom Potpourri im Bad, eine Nuance Kaminfeuer vom Wohnzimmer, dazu ein bisschen nasser Hund der unter dem Tisch vorspringt und fleißig mit dem Schwänzchen wedelt und sich vor Freude fast verschluckt, als er mich sieht. Doch der Duft von dampfenden Kochtöpfen übertrumpft alles. Ich setze mich an den Küchentisch. Eine heiße Schokolade steht schon da. Ich nehme mit der einen Hand den Griff der Porzellantasse, umschließ die Tasse mit der andern und führe sie zum Mund. Ich blase den heißen Dampf weg. In der Ecke der Küche leuchtet der Backofen hell. Es riecht nach Pilzen und Wald. „Schön das du da bist“, strahlt meine Mutter und wäscht ein letztes Mal den Feldsalat, den es heute Abend zum Brotauflauf geben wird. Wie oft bekommen wir gesagt, dass es schön ist, das wir da sind? Und wie gut tut das, es zu hören? Es gibt Momente im Leben, da fällt mir auf, dass nicht alles selbstverständlich ist. Da wird mir richtig bewusst, was für ein Glück ich habe. Da sind Menschen, die mich lieben, bedingungslos, auch wenn ich manchmal ein Arschloch bin. Da ist ein zu Hause in das ich immer kommen kann und in dem es immer vertraut riecht. Doch am schönsten ist es die Verantwortung für ein paar Tage vor der Haustür abzulegen. Einfach Kind sein, auch noch mit 27. Im Auto auf der Rückbank sitzen, eine Scheibe Wurst an der Theke bekommen, keine Macht über die Fernbedienung zu haben, dafür aber heiße Schokolade bekommen. So viel man will. Sogar mit Sahne.
Dieser Moment am Küchentisch ist tausendmal mehr Wert, als jede Reise ins ferne Paradies. Und dann werden meine Augen ganz feucht. Auch ein bisschen, weil ich traurig bin, denn irgendwann, da wird es diese Momente nicht mehr geben. Dann kann man nicht mehr nehmen, sondern muss geben. Ich muss mich täglich daran erinnern im Jetzt zu leben, ganz viel aufzusaugen, um es dann, wenn sich der Spieß umdreht zu geben.
3 Kommentare
Schön wenn man das erleben darf, und traurig das es welche gibt die so etwas nie erlebt haben.
Ein ganz wundervoller Text mit einer so einfachen, aber tiefen Botschaft! Danke! :)
Sehr gerne!